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Rund um den Masherbrum
Über den Gondogoro La

Unsere bisher schwierigste, abenteuerlichste aber zugleich faszinierendste Reise, auf der mein Gewicht um über 7 Kilogramm reduziert wurde, fand 1999 statt in einem Gebiet, welches an Abgeschiedenheit, Schroffheit, Gefährlichkeit und Schönheit kaum zu überbieten ist.

Alleine die Reise von Rawalpindi über den Karakorum Highway über Gilgit und Skardu nach Askole ist bereits ein Abenteuer mit kaum abzuschätzenden Risiken und Verzögerungsmöglichkeiten.

Die Trekkingtour von Askole nach Concordia am Fuße des K2 (Chogorie) gehört zu den schönsten aber auch schwierigsten Touren überhaupt. Einerseits fantastische landschaftliche Eindrücke und andererseits die ständige Lebensgefahr, in der man sich befindet, belasten den Trekker sowohl physisch als auch psychisch ungeheuer.

Die Überschreitung des Gondogoro La ist nur bei gutem Wetter möglich und in jedem Fall eine sehr ernst zu nehmende Gletscherhochtour. Bei klarer Sicht kann man über 100 Karakorumgipfel sehen, die meisten davon über 6000 Meter hoch und 4 Achttausender in unmittelbarer Nähe. Durch das Gondogorotal an der Südflanke des Masherbrum entlang läuft man dann langsam zurück in die Zivilisation nach Hushe.



Concordia, als kleiner Junge hörte ich diesen Namen zum ersten Mal.

Ganz weit im Osten, wo die Berge so hoch sind, wie Flugzeuge fliegen können, liegt dieser fantastische Platz.

Ich erinnere mich, dass die Reise lang und beschwerlich ist, und dass man weit läuft, um dorthin zu gelangen, dass man über Gletscher gehen und ein wenig klettern können muss.

Was ich auf den Bildern sah, blieb viele Jahre in meinem Gedächtnis, ein unerfüllter Traum, der vielleicht irgendwann einmal Realität werden könnte.

Von Concordia, dem Ort der Eintracht in der abgeschiedenen Einsamkeit des Karakorum erblickt man ein Meer von mächtigen Eisriesen, die vor 20 Millionen Jahren aufgetürmt wurden.

Masherbrum heißt der Riese, der im Zentrum unseres Abenteuers steht. Fast 8000 Meter hoch, mit gewaltigen Gletschern, atemberaubenden Graten und Felsstürzen. 200 km läuft man, um ihn in 14 Tagen zu umrunden, durch ein Gebiet, das an Abgeschiedenheit und Wildheit auf unserer Erde einzigartig ist.



Unser Abenteuer Pakistan findet statt in einem jungen Land, das eine bewegte Geschichte vorzuweisen hat, von einer der ältesten Kulturen am Indus geprägt, 100te von Jahren unter wechselnden Herrschaftsverhältnissen und religiösen Einflüssen stehend, mit der größten Völkerwanderung unserer Geschichte behaftet, seit 1947 ein islamischer Staat.

Die Flagge Pakistans symbolisiert mit dem grünen Bereich die Grundwerte des Staates, den Islam. Der weiße Bereich steht für die anderen Religionen des Landes, denen man mit Toleranz begegnen möchte. Der Stern stellt die 5 Pfeiler des Islams dar, denen alle Gläubigen verpflichtet sind.



Unsere Reise in einem Land mit den gewaltigsten Gegensätzen beginnt in Taxila, einer über 2000 Jahre alten versunkenen Stadt unweit des Indus. Rawalpindi, die Stadt der Bazare, bietet uns Einblicke in das Leben von gestern und heute in einem islamischen Staat. Die Nachbarstadt Rawalpindis und Hauptstadt des Landes ist Islamabad, die uns mit ihrer riesigen modernen Moschee einen flüchtigen Blick auf die Ausübung der islamischen Religion gestattet.

Wir reisen über die fruchtbare Chattarebene zum das Land und seine Menschen bestimmenden Strom, den Indus. Auf dem berühmten Karakorum Highway geht es durch eine wilde und kontrastreiche Landschaft nach Norden in die Provinzen Northern Areas und Baltistan. Wir kommen auf abenteuerliche Weise nach Gilgit, besuchen ein Dorf im Hunzatal, wo die Menschen angeblich über 100 Jahre alt werden und reisen weiter entlang des Indus nach Skardu, der Hauptstadt Baltistans und Zentrum aller Trekkingunternehmungen in das Karakorumgebirge.

Mit allradgetriebenen Fahrzeugen fahren wir tief in das wilde Gebirge hinein bis nach Askole, dem letzten Ort an dem Menschen dauerhaft wohnen.

Unsere 14tägige Trekkingtour der Superlative führt in das höchste Gebirge auf unserem Planeten zu einem der schönsten und atemberaubendsten Orte, nach Concordia, und weiter über einen schwierigen und vergletscherten Pass, den Gondogoro La, der mit etwa 5700 Metern eine ernstzunehmende Barriere bei der Umrundung des Masherbrums darstellt.

Vor ungefähr 4000 Jahren eroberten arische Volksstämme aus Zentralasien Nordwestindien und legten die ersten Grundlagen einer wechselvollen Geschichte im heutigen Pakistan. Im Reich der Gandhara machte sich der Buddhismus erstmals bei den großen Induskulturen breit. Aus Persien beeinflußt ab dem 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die islamische Religion das Land. Unter den Mogulkaisern wurde das Gebiet zu einem Zentrum der Kunst, in dem zahlreiche Prachtbauten entstanden. Erst im 18. Jahrhundert kamen die Briten und stellten den gesamten indischen Subkontinent unter die britische Krone. Der religiöse Konflikt zwischen Hindus und Moslems führt schließlich 1947 zum Rückzug der Europäer, der Konzentration der Moslems in Pakistan und Ostbengalen, sowie der Hindus in Indien. Über 15 Millionen Menschen verlassen ihre Heimat und sind somit Teil der größten Völkerwanderung der Geschichte.



In Taxila, nur wenige Kilometer von Rawalpindi und Islamabad entfernt, befindet sich eine der wichtigsten archäologischen Fundstätten Pakistans.



Erstmals erwähnt wird Taxila im 7. Jahrhundert vor Chr., als Stadt des Königreichs Gandhara, einem kleinen unabhängigen Fürstentum südlich des Hindukusch. Etwa 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung wurde Taxila eine Provinz des Persischen Großreiches. Die Stadt entwickelte sich zu einem Zentrum für Handel und Wissenschaft. Über 200 Jahre regierten die Perser in Taxila, bis Alexander der Große Persien besiegte und in der Stadt einzog. Für Taxila bedeutete das jedoch nur ein kurzes Intermezzo, denn Alexander strebte weiter nach Osten. In diesem Machtvakuum nutzte Ashoka die Chance, an die Macht zu kommen. Die Legende erzählt, dass er dazu nicht weniger als 99 Brüder und Verwandte umbringen ließ. Nach dem Gemetzel hatte er viele schlaflose Nächte. Um sein Unrecht wieder gutzumachen, kam er auf die Idee, die friedlichen Thesen des Siddharta Gautama zu verbreiten. Taxila wurde zur geistigen Metropole des Buddhismus. Es entstanden zahlreiche Klosteranlagen und buddhistische Missionare zogen in alle Himmelsrichtungen, um die neue Lehre zu verkünden.

Ashoka wurde berühmt für seine große Toleranz, er ließ über das ganze Land Krankenhäuser für Menschen und Tiere bauen. Unter seiner Herrschaft war das Jagen verpönt und Tiere durften nicht mehr geschlachtet werden, denn Ashoka vertrat die Therawadabuddhistische Mettalehre, die Lehre der Güte gegenüber jeder Art der Schöpfung.

Da Taxila mit der Zeit zu eng wurde, ließ man einige km nordöstlich die Stadt Sirkap bauen. Im Jahre 64 n. Chr. drangen die Kushanen in Taxila ein und leiteten eine lange Phase der Stabilität und des kulturellen Schaffens ein. Auf dem Höhepunkt ihrer Macht im 2. Jhd. n. Chr. erstreckte sich ihr Imperium weit über die Grenzen des heutigen Pakistans. Sie kontrollierten die antike Seidenstrasse und erhoben Zölle für sämtliche Karawanen, die zwischen China und Europa oder Zentralasien und dem indischen Ozean unterwegs waren. Der Buddhismus wurde erneut zur ersten Religion des Landes, tausende von Klöstern und Heiligenstätten entstanden.

Der bedeutendste König der Kushanen war zweifellos Kaiser Kanishka, der bis 151 n. Chr. regierte. Als tiefgläubiger Buddhist förderte er entscheidend die Entwicklung der Kunst. Unter seinem Schutz pilgerten buddhistische Missionare bis nach Ladakh und Zentralasien. Doch wie so oft in der Geschichte, fand sich nach seinem Tod kein geeigneter Nachfolger. Das Land zerfiel wieder mehr und mehr in kleine Fürstentümer.

241 n. Chr. war das einst so mächtige Kushanenreich so geschwächt, dass die Sassaniden aus Persien ohne großen Widerstand die Macht in Taxila übernehmen konnten. Ende des 5. Jahrhunderts gab es dann eine weitere Katastrophe, die kriegerischen Reiterhorden der weißen Hunnen erreichten von Zentralasien kommend den Indus. Sie brandschatzten Gandhara in ihrem Blutrausch und zerstörten die meisten Klöster und Kunstwerkstätten. Das Land Buddhas sollte sich davon nie mehr richtig erholen.


Rawalpindi ist die Stadt der Basare. In Pindi, wie die Stadt von den meisten genannt wird leben ca. 1,2 Millionen Menschen. Sie ist benannt nach einem mächtigen Führer des Stammes der Ghakar namens Rawal, der im 16. Jahrhundert lebte.

Zu einer bedeutenden Stadt wurde Rawalpindi zur Zeit der Mogulkaiser, als Kabul mit Delhi und Kalkutta durch Rawalpindi verbunden wurde.

Anfang des 19. Jahrhunderts brachten die Sikhs den Punjab in ihre Gewalt und Pindi wurde zu einem wichtigen Handelszentrum des Sikhstaates.

1849 übernahmen die Briten Rawalpindi als Stützpunkt, und die Stadt wurde zur größten Garnisionsstadt und damit zu einer Schaltzentrale der Kolonialmacht. Einige Bauten aus dieser Zeit im klassisch britischen Kolonialstil sind noch heute zu bewundern.

Nach der Unabhängigkeit 1947 wurde die Stadt zum Hauptquartier der pakistanischen Armee, und während die heutige Hauptstadt Islamabad erbaut wurde, war Pindi fast 10 Jahre das politische Zentrum Pakistans.

In Pindi gibt es keine imposanten Bauwerke wie zum Beispiel in Lahore, doch dafür hat die Stadt eine besondere Atmosphäre.

Das Leben geht gemächlicher seinen Gang, die Hektik ist nicht so groß wie in Lahore oder Karachi. Die Basare gehören zu den sehenswertesten in Pakistan.



Unsere abenteuerliche Reise beginnt leider mit einer beinahe finalen Katastrophe. Das Hauptgepäck von Simone ist auf dem Flug von Deutschland nach Pakistan verlorengegangen. Da unser Trekking diesesmal Expeditionscharakter hat, und im Seesack wichtige Dinge enthalten sind wie Schlafsack, Isomatte, Steigeisen und Anseilgurte sowie allerlei Kleinigkeiten, die wir aufgrund unserer bisher gemachten Erfahrungen mitgenommen haben, ist die Lage ernst.

Unsere Agentur muss zeigen, ob sie ihren hervorragenden Ruf zu Recht hat. Ersatzteile in Pakistan privat zu besorgen ist nahezu aussichtslos. Wir hoffen, dass wir in Gilgit, dem Bergsteigerzentrum und Sitz der Agentur eine Daunenjacke und einen warmen Schlafsack bekommen können.

Unterdessen keimt die Solidarität der Reisegruppe und der ungewöhnlich hohe Frauenanteil von zwei weiteren weiblichen Mitgliedern, die Simone mit warmen Handschuhen, Kopfbedeckung, T-Shirts und anderen wichtigen Utensilien versorgen. Dies entspannt die Lage etwas.

So wird während des Bummels über die Basare von Pindi eine eigentümliche Stimmung erzeugt, in der wir einerseits die Atmosphäre, die freundlichen Menschen, das rege Handeln und Treiben beobachten und genießen können, aber andererseits auch Ausschau halten müssen nach Schuhen, Unterwäsche, Trainingsanzug usw.

Das Fotografieren ist eine Wucht. Die meisten Menschen setzen sich sofort in Position, wenn man höflich fragt, ob man sie ablichten darf. Ja, ich habe sogar den Eindruck, dass sie stolz darauf sind, sich und ihre Umgebung zu präsentieren. Ich halte Szenen ohne Probleme fest, für die ich in Südamerika kreative Tricks benötigt hätte.



Die vielen Eindrücke in der heißen Schwüle der Monsunzeit und das Einkaufen für Simone kosten viel Kraft. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei über 90% und die Temperatur weit über 35 Grad Celsius.

Deshalb bleibt uns nur die Flucht in die etwas dunkleren schattenspendenden Gassen der Altstadt, wo die letzten Reste der Kolonialzeit ungepflegt und dem Verfall nahe, zu sehen sind.

Aber die Menschen wirken hier noch freundlicher. In manchen Hauseingängen, in die wir hineinblicken können, treten uns die Bewohner entgegen mit einer einladenden Bewegung, als wollten sie sagen, schaut doch mal rein.

Historie, moderne Zeit und Technik prallen hart aufeinander in Rawalpindi. Es gibt Computer- und Elektronikgeschäfte neben dem Barbier, der seinen Kunden auf der Straße seine Dienste offeriert. Altes traditionelles Handwerk trifft zusammen mit modernen Neuerungen aus dem Westen. Dazwischen befinden sich die Menschen, die scheinbar unbeeindruckt diesen Fronten gelassen entgegensehen.









Völlig fertig liege ich frisch geduscht auf dem Bett des Hotels in Chilas. Es ist 22.00 Uhr und ein brutaler Tag liegt fast hinter uns. Ich versuche die letzten 17 Stunden in meinem Tagebuch niederzuschreiben, um so ein paar von den unendlichen Eindrücken des heutigen Tages schriftlich festzuhalten: Am frühen Morgen sind wir pünktlich wie verabredet um 5.00 Uhr mit dem kleinen Bus und jede Menge Dachgepäck abgefahren und haben Rawalpindi in Richtung Karakorum Highway verlassen.

Es ist drückend schwül, ungeheuer heiß dazu und es regnet hin und wieder, dann aber in Strömen aus den dicken Monsunwolken.

460 Kilometer Busfahrt haben wir heute vor uns, was auf den ersten Blick nicht viel erscheint, aber es sollen 14 Stunden reine Fahrtzeit zum größten Teil über bedenkliche Strecken werden.

Der Zustand der Straße wird immer schlechter, so dass kaum zwei Fahrzeuge aneinander vorbeikommen. In vielen Kehren sind Schlammmuren durch die vielen Regenfälle heruntergekommen und haben die Asphaltdecke zerschlagen. Man räumt die Erde nur fort. Für das Erneuern der Straße gibt es kein Geld. Wozu auch, denn die nächste Lawine kommt bestimmt.



Gegen Mittag öffnet sich das dramatisch enge Tal und der reißende Fluss mündet in das weite Tal des Pakistan bestimmenden Flusses, den Indus. Hier beginnt offiziell der Karakorum Highway.

Mir fällt ein Zitat eines Pakistanreisenden ein: "Reisender, bist Du auf dem Weg in Pakistans rauen Norden, so nimmst nicht Du den Karakorum Highway. Der Karakorum Highway nimmt Dich. Genauer gesagt: er packt, schüttelt, frisst Dich, und wenn er Dich in Gilgit, Hunza oder spätestens am Kunjerab-Pass wieder ausspuckt, wirst Du ein anderer sein. Du wirst fantastisches gesehen, aber auch das Fürchten gelernt haben."

Und schon nach wenigen Kilometern ist die erste erzwungene Unterbrechung angesagt. Bleiben wir hier hängen? Kommt unser Zeitplan schon am ersten Tag durcheinander?



Wir steigen aus und waten durch die Menschen- und Maschinenmenge, die sich mittlerweile gebildet hat, um nach dem Rechten zu sehen.

Ein Bulldozer versucht die Straße zu räumen. Dabei werden Erde und Geröll einfach zur Flußseite gedrückt. Das Grollen der herunterpurzelnden Steine übertönt fast das Schnattern und Palavern der Menschen. Nach gut einer Stunde löst sich die Stauparty ganz langsam wieder auf.

Auf der vielbefahrenen Straße zwischen Pakistan und der Volksrepublik China beeindrucken uns die vielen Lastwagen, die mit bunten Aufbauten versehen den Stolz und die Ladung ihrer Besitzer transportieren. Wie viele hundert Arbeitsstunden in diese Detailtüfftelei gesteckt werden verraten si uns nicht. Lautes Gehupe kündigt Überholmanöver an und dunkle Dieselwolken künden von nahenden Anfahrten.





Der Karakorum Highway gehört wohl zu den interessantesten Straßen der Welt, denn er folgt in weiten Teilen der alten, historischen Seidenstraße, die durch das Industal zum Karakorum und über das Pamirplateau hinunter in die Taklamakanwüste nach Kashkar in China führte.

Die Straßenverbindung wurde zwischen 1958 und 1978 von 15.000 Pakistani und 25.000 Chinesen gebaut. Zuvor wurde das Projekt weltweit ausgeschrieben, doch alle Interessenten lehnten schließlich ab, sie hielten den Bau der Straße für unmöglich, insbesondere weil das Gebiet ständig von Erdbeben erschüttert wird.



Allen Unmöglichkeitsgutachten zum Trotz begannen dann doch 1958 die Bauarbeiten. Die Chinesen spezialisierten sich auf die mehr als 100 Brücken, die über den Indus und den Hunzafluß führen sollten, während pakistanische Arbeiter die Straße hinauf bis auf den 4700 Meter hohen Khunjerab Pass praktisch in den Fels sprengten. Mehr als 500 Arbeiter kamen dabei zu Tode. Zahlreiche Gedenktafeln am Straßenrand erinnern an sie.

1500 Soldaten sind ständig damit beschäftigt, den Highway befahrbar zu halten. An besonders sensiblen Stellen sind permanent schwere Räumfahrzeuge deponiert, um Stein- oder Schlammblockaden, die nach längeren Regenfällen die Straße verschütten, zu beseitigen.



Unweit von Chilas haben nahe bei der Straße vorbeiziehende Handelskarawanen vor beinahe 2000 Jahren auf den Felsen religiöse Zeichnungen und Symbole angebracht. Diese Felszeichnungen an der alten Seidenstraße, im wesentlichen buddhistische Stupas, sind gut erhalten. In der Wüstenlandschaft vor dem reißenden Indus wirken die antiken Graffities etwas unheimlich.



Der Wecker reißt uns sehr früh aus dem Tiefschlaf in dem kleinen Hotel in Chilas. Der Schädel brummt wegen der miserablen Luft, die der Miefquirrl an der Decke durchmischt hat. Der Blick aus dem Fenster schweift in eine wüstenhafte Felslandschaft.

Am zweiten Anfahrtstag mit dem Bus geht es von Chilas den KKH weiter über den Pamirknoten, von dem aus wir vielleicht einen ersten Blick auf den westlichen Pfeiler des Himalaya, den Nanga Parbat, haben werden, nach Gilgit, dem Tor zum Hunzatal.

Kurz hinter Chilas kommt man an eine dreieckige Sandbank, an der Indus und Gilgitfluss sich vereinen. Das Industal schwenkt nach Osten ab zur 170 km entfernten Stadt Skardu, und der KKH folgt nun 30 km dem Gilgittal.

Im Norden sieht man die dunklen Felsen des Karakorum, der praktisch hinter der Sandbank beginnt. Die Felsformationen im Osten gehören noch zum Himalaya, und die Berge im Westen zählt man zum Hindukuschgebirge. Den Punkt, an dem die drei Gebirgszüge zusammenkommen, nennt man eigenartigerweise "Pamirknoten", obwohl das Pamirplateau erst viel weiter im Norden beginnt.



Am Pamirknoten kann man der Mutter Erde in die Augen schauen. Mit gewaltigem Druck wird die indische Platte unter den asiatischen Kontinent gedrückt und presst Schicht um Schicht in die Höhe. Noch heute wächst das Gebirge um mehrere Millimeter pro Jahr.

Eine Weile beobachte ich nun schon den eigenartig hellen Fleck in der linsenförmigen Wolke hoch am Himmel. Der Fleck bleibt starr, während sich die Wolke um ihn herum ständig verändert. Eine Vermutung schießt mir durch den Kopf. Ich schiebe sie gleich wieder weg.... Nein, so hoch kann kein Berg sein. Doch die Wolke zieht sich zusammen, driftet nach unten und läßt eine winzige, firngekrönte Pyramide sehen, weiß und unvorstellbar hoch. Ein Trugbild? Nicht mehr von dieser Welt? Kurz darauf schließt sich der Vorhang wieder, als hätte er schon zuviel offenbart.

               Ich habe den Gipfel des Nanga Parbat gesehen.





Eine Weile bin ich noch wie elektrisiert. Deutlicher ist mir nie klargeworden, wie hoch die gewaltigsten Berge der Erde wirklich sind. Siebentausendeinhundert Meter trennen das brütendheiße Industal von der kalten Einsamkeit des Gipfels dort. Ein Höhenunterschied, der sich bei so kurzer Distanz von weniger als 30 km, auf der Erde nicht wiederholt.

Am Abend erreichen wir Gilgit, den Hauptverwaltungsstützpunkt des 70.000 qkm umfassenden Gebietes der Northern Areas. Die Stadt liegt in einer Höhe von 1300 Metern und die Einwohnerzahl beträgt etwa 35.000 Menschen. Gilgit ist praktisch eine künstliche Oase. Schmelzwasser wird über sorgfältig angelegte Kanäle aus den Seitentälern hinunter auf die Terassenfelder und Obstplantagen geleitet, denn es gibt das ganze Jahr über keinen nennenswerten Niederschlag.

Nach der Ankunft im Hotel treffen wir uns mit dem Leiter unserer Agentur, um über Simones Ausrüstungsprobleme zu beratschlagen. Ein guter Daunenschlafsack und eine dicke warme Winterjacke hat man organisieren können, so dass die Liste der offenen Punkte etwas kleiner und die Stimmung in Bezug auf unser Trekking etwas besser geworden ist. Die letzten Besorgungen sollen dann in Skardu, der eigentlichen Bergsteigermetropole Pakistans gemacht werden.

Es heißt, es gäbe kein gesünderes Volk auf der Welt, als die Menschen im Hunzatal. Siebzigjährige erzählen von ihren Vätern, die noch die Felder bestellen. Hundertjährige klettern zum Polospiel in den Sattel, und das Alter gilt hier als "die Jahre des Reichtums". Unser lokaler Guide namens Jarved lebt in diesem sagenhaften Tal und lädt uns ein zu einem Besuch bei seiner Familie. Gut 2 Stunden dauert die Fahrt zu dem kleinen Dorf, vorbei an dem fast 8000 Meter hohen Rakaposhi, der über der gesamten Region thront.



Jarveds Dorf liegt malerisch auf einer schroffen Anhöhe gegenüber der asphaltierten Straße durch das Hunzatal. Der Bus kann hier nicht mehr weiter, so dass wir fast eine Stunde auf einem staubigen Weg laufen. Zunächst in weiten Serpentinen bis zum Hunzafluß hinunter, über eine stabile Hängebrücke zum anderen Ufer und jenseits wieder in großzügigen Schleifen hinauf. Dabei begleitet uns fortwährend der traumhafte Blick auf den Rakaposhi.



Die Kinder des Dorfes kommen uns schreiend entgegen, um die fremden, hellhäutigen, seltsamen Besucher zu bestaunen. Sie wohnen mit ihren Familien in einfachen Steinhäusern, die umsäumt sind von kleinen Steinmauern. Um die Ortschaft herum liegen grüne Felder, so weit das Auge reicht. Man hat die oberen Gletscher angezapft und mit einem raffinierten Bewässerungssystem aus der Wüstenlandschaft eine fruchtbare Oase geschaffen, in der man Getreide und vor allem Aprikosen anbaut.

Die folgenden 4 Stunden verbringen wir bei der Familie Jarveds in einer für uns fremden Welt, in einem für uns längst vergangenen Jahrhundert. Unter einem Walnussbaum liegt eine Zeltplane, auf der Tische und Stühle vorbereitet sind. Die ganze Familie schart sich mit Kind und Kegel um uns, als wir hungrig unsere Lunchpakete verzehren. Die Frauen sind z.T. sehr hübsch und bunt gekleidet, scheu und unsicher uns gegenüber. Die Begrüßung zwischen Jarved und seiner Frau ist kurz. Er gibt ihr die Hand, welche sie küsst, das wars. Die Jungs sind neugieriger und erste Kommunikation in Englisch kommt zustande. Die Frauen ziehen sich zurück unter einen carportähnlichen Vorbau, sitzen dort auf dem Boden, kochen und schwatzen.





Überdurchschnittliche Neugierde und didaktische Fähigkeiten führen dazu, dass Simone im Kreis der Frauen integriert wird und von einem Außenstehenden als Fremde kaum erkannt würde.



Warum werden die Menschen im Hunzatal so alt? Es soll an der Ernährung liegen. Das Essen gilt bei den Hunzas als eine konzentrierte Handlung. Es darf nur das Nötigste verzehrt werden und Übergewicht gilt als das größte Übel. Fleisch sollte bewusst nur selten gegessen werden. Zucker gibt es nicht, dafür wird Getreide so fermentiert, dass es wie gezuckert schmeckt. Frühmorgens nach dem Aufstehen, soll man zuerst einmal nichts essen, sondern nüchtern aufs Feld gehen. Erst gegen 9.00 Uhr nimmt man dann die erste Mahlzeit zu sich, die in der Regel aus Weizenbrot und Buttermilch besteht. Am Mittag gibt es dann ein paar gewässerte Trockenfrüchte und etwas Gemüse. Am Abend dann wieder Brot, Gemüse und Suppe. Im Winter verzehrt man höchstens alle 10 Tage etwas Fleisch. Federvieh gab es früher in Hunza nie, denn Hühner picken nur die Felder leer und Eier wurden nicht gegessen.

Nach dem kurzen Besuch bei Jarveds Familie, der einen tiefen Eindruck bei uns hinterlassen hat, folgt der nächste Anreisetag auf dem Weg zu unserem Trekkingziel. Es geht wieder zurück bis zum Pamirknoten, und wir nehmen erneut die Linie auf, die der Indus seit 20 Millionen Jahren in das schwarze Gebirge gräbt.

Das Tal des Indus wird immer enger und imposanter. Der reißende Strom spült Unmengen von Gestein mit sich, das sich polternd mit den Motorgeräuschen zu einem beängstigenden Tongebreu vermischt. Die Straßenführung wird immer kühner. Es passen nur noch an Ausweichstellen 2 Lastwagen aneinander vorbei. Keinerlei Leitplanken mildern einen möglichen Fahrfehler eines Kapitäns der Straße. Selbst wenn eine Stelle einmal weniger steil ist, würde ein Sturz in die tosende Brühe des Indus das sichere Ende bedeuten. Wir versuchen durch unbedeutsame Gespräche unseren Busfahrer mit seinen ausgeleierten Badeschlappen, an Konzentrationsschwächen zu hindern.






Kurz vor Skardu, unserem heutigen Tagesziel, weitet sich das Industal wieder und eröffnet uns einen Blick auf die umliegende Bergwelt und den großen natürlichen Stausee des Flusses, an dem sich schon vor langer Zeit menschliche Ansiedlungen gebildet haben. Mit etwa 3stündiger Verspätung kommen wir gerade noch vor der Dunkelheit im Hotel K2 an, einem legendären Hotel, in dem viele Expeditionen zu den Achttausendern des Karakorum bereits übernachtet haben. Das Mobiliar und viele imposante Fotos und Plakate zeugen vom Bergsteigerparadies. Wer wird wohl schon in meinem Bett gelegen haben? Reinhold Messner? Hans Kammerlander? Kurt Diemberger?...wer weiß?

Am letzten Tag vor dem Trekkingbeginn haben wir letztmalig die Gelegenheit, noch fehlende Artikel für Simones Expeditionsgepäck zu kaufen. Es fehlen noch Unterwäsche, Trekkingstöcke und Utensilien für monatlich zu erwartende Frauenangelegenheiten. Simone hat sich bei dem notwendigen Einkauf voll den Landessitten angepasst. Verschleiert tritt sie in den Hintergrund und gibt unseren Reiseleitern Ralph und Jarved Anweisungen, welche Damenunterwäsche sie möchte. In Pakistan und dort besonders in den abgelegenen Gebieten dürfen Frauen nicht öffentlich in Erscheinung treten, geschweige denn einkaufen; reine Männersache. Wir betrachten die ganze Sache als Gaudi, die sich fast ins tragikomische steigert, als wir in einer Apotheke dem völlig ratlosen Verkäufer eine Lösung für die monatlichen Frauenangelegenheiten entlocken wollen.




Der letzte und imposanteste Anreisetag in das Trekkinggebiet führt uns mit 4radgetriebenen Geländefahrzeugen von Skardu in das Tal des Shigar bis nach Dassu. Bis 1992 konnte man nur bis dorthin mit motorisierten Fahrzeugen, ab Dassu musste man zu Fuss laufen. Heute ist es möglich, weiter in das Tal des Braldu bis nach Askole zu fahren über eine Straße, die an Kühnheit nicht zu überbieten ist und die den Gesetzen der Physik mit Spott entgegentritt.



Noch genießen wir den angenehmen Fahrtwind und das forsche Gleiten der Allradfahrzeuge über den wüstenhaften Sandboden im Shigartal. Die drückende Hitze der letzten Tage ist mittlerweile gewichen. Der bedeckte Himmel und die Höhe von nunmehr immerhin 2500 Metern wirken sich auf das Klima angenehm aus.



Wie aber wird es uns beim morgen beginnenden Trekkingabenteuer ergehen? Werden wir tagsüber quälend schwitzen und nachts wegen Kälte und Anstrengung schnattern? Vertragen wir die Verpflegung? Funktioniert die Organisation? Ist die 80köpfige Mannschaft vollzählig und gut vorbereitet? Gegen Mittag kommen wir in Dassu an, der wirklich letzten Möglichkeit, für das Trekking noch Ausrüstungsgegenstände zu erstehen.



Die Menschen Baltistans sind geprägt von der Notwendigkeit eines Überlebenskampfes in dieser rauen Natur. Nur durch künstliche Bewässerung lässt sich aus dem wüstenhaften Boden etwas nahrhaftes gewinnen. Mit einfachsten Mitteln werden Obst und Getreide angebaut, sowie bescheidener Ackerbau und Viehzucht betrieben. Die kurze Trekkingsaison in den 3 Sommermonaten stellt für die kräftigen Männer der Dörfer eine gute zusätzliche Einnahmequelle dar. Baltistan war einst Jahrhunderte lang buddhistisch geprägt, man nannte es sogar "Klein-Tibet". Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Der Islam hat den Buddhismus fast völlig verdrängt. Zudem liegt Baltistan in Kashmir und damit im Brennpunkt des Gebietsstreites zwischen Pakistan und Indien.



Wir verlassen Dassu und das Tal des Shigar, um die letzten Kilometer nach Askole, dem Trekkingstart, noch vor Anbruch der Dunkelheit zu absolvieren. Die wenigen km durch das Braldutal, dessen weiterer Verlauf auch unserer Trekkingroute entspricht, lassen uns teilweise den Atem anhalten. In extrem lawinengefährdetem "Sliding Area" sind die Serpentinen zum Teil so eng, dass der Fahrer nicht in einem Zug herumkommt, sondern mehrfach rangieren muss. Eine Handbremse hat das Fahrzeug nicht, der Fahrer hält es mit der Kupplung.







Denke ich an Pakistans Nordprovinzen, so tauchen vor meinen Augen zuallererst Steine auf:
Wacklige unter den Füßen,
spitze unter dem Zeltboden,
drohende über dem Kopf,
polternde in den Flüssen,
zermahlene im Essen.
Dann die Flüsse, ungezähmt und voller Kraft, allen voran der Indus, dessen Brüllen sich in den letzten Tagen im Kopf festgesetzt hat.
Schließlich die Berge: höher als hoch, kühn, herausfordernd, gefährlich.
Ich habe das Glück, schon viel von der Welt gesehen zu haben, und wenn ich gefragt werde, wo denn mein Herz am heftigsten schlägt, wo die Welt am wildesten, wüstesten, erschreckendsten, aber auch faszinierendsten und am schönsten ist, so fällt mir die Antwort leicht:
In Pakistans Northern Areas.

Die Anspruchsvolle Hochtour der Superlative führt uns in 6 Tagen über Paiju und auf dem 70 km langen Baltorogletscher zum 4670 Meter hohen Concordiaplatz. So nannte der britische Forscher Godwin Austen diese fast 40 km breite Stelle, an der 14 Gletscher aus allen Richtungen ineinanderströmen. Wir hoffen auf klare Ausblicke auf die höchsten Eisriesen des Karakorum:
K2, Gasherbrum1, Gasherbrum2, Broad Peak und die zahllosen 7000er wie die Chogolisa, Baltoro Kangri, Muztag Tower und natürlich den Masherbrum, den wir auf unserer Tour fast ganz umrunden werden. Nach einem Ruhetag geht es weiter über den Vignegletscher hinauf zum Gondogoro La, dessen vergletscherte Passhöhe mit 5700 Metern zu überwinden ist. Weitere 5 Tage dauert der Abstieg über den Gondogorogletscher nach Hushe, bevor uns die Geländewagen wieder zurück nach Skardu bringen werden.



Die erste Nacht im Zelt haben wir ganz gut überstanden. Das Barometer an meiner Uhr zeigt deutlich steigende Tendenz, so dass wir auf gutes Wetter hoffen können. Alles erscheint uns noch etwas umständlich und nicht eingespielt: Klamotten packen, frühstücken, Abmarschvorbereitungen treffen...

Es dauert beinahe bis 10.00 Uhr, bis wir abmarschbereit sind. Die 80köpfige Begleitmannschaft von Guides, Köchen, Hilfspersonal und etwa 70 Trägern gilt es zu organisieren und mit gleichmäßig schwerem Gepäck auszustatten. Die Träger waren in den letzten Tagen große Distanzen von den umliegenden Dörfern bis hierher gelaufen, nach Askole, dem letzten bewohnten Ort vor der Einsamkeit der Bergwelt. Es sind abenteuerliche Gestalten darunter. Es wird gespuckt und gerotzt, die Kleidung hängt in Fetzen, die Füße stecken in meist viel zu großen, knöchelhohen Gummischuhen.



Können wir sie so überhaupt mitnehmen? Was ist später auf dem Gletscher?
Don´t worry. Wenn es darauf ankommt, gehen sie auch barfuß, lautete die beruhigende Antwort von Jarved.



Viel zu spät brechen wir auf an diesem Morgen. Schon bald werden wir der steigenden Sonne gnadenlos ausgeliefert sein. Es geht auch sofort steil einen Abhang hinauf, auf dessen ebener Hochfläche Getreide und herrliche Kornblumen wachsen. Die Trägerkolonne sieht beinahe aus wie uniformiert, alle tragen das gleiche weite Baumwollhemd über einer ebenso weiten Pluderhose, schwarze , schlabbernde Gummischuhe, die Rollmütze schräg auf dem Kopf. Wichtigstes Ausrüstungsstück aber ist der "Matu", ein langer, kräftiger Stock, der meistens einfach wie eine Balancierstange quer vor dem Körper getragen wird.



Wir betreten das Dorf Askole, den letzten Vorposten menschlicher Existenz. Und ganz so sieht es hier auch aus. Die doppelstöckigen Hütten nach tibetischem Muster beherbergen unten das Vieh, die davon aufsteigende Wärme hält die Menschen oben am Leben. Stabiles Baumaterial ist rar. Die bröckeligen Wände sind aus Holz, Steinen und Lehm außerordentlich roh gefügt, irgendwelchen Zierrat gibt es nirgends. Die Dächer bestehen aus Erde, an den Rändern liegen dornige Reisigbüschel. Schornsteine gibt es nicht. Da Holz knapp ist, wird mit dem Mist der Dzos geheizt, einer Kreuzung aus Yak und Rind. Die Kinder des Dorfes laufen uns kreischend hinterher und blicken uns noch lange nach, als wir den kleinen Ort verlassen und am Ufer des Bralduflusses unseren Weg nehmen in das Lager Korophon, wo wir hoffen, bereits am frühen Nachmittag nach gut 4stündiger Wanderung anzukommen.



Das Laufen macht bisher sehr viel Spaß auf dieser ersten Etappe. Wegen der geplanten recht kurzen Gehzeit, beschliessen wir auf ein Lunch unterwegs zu verzichten, da wir etwa gegen 15.00 Uhr am Ziel sein sollten. Ein fataler Irrtum, wie sich später zeigen wird.







Unser deutscher Reiseleiter schlägt vor, über die Endmoräne des Biafogletschers zu gehen, statt den Normalweg, da die zeitlichen Unterschiede beider Varianten marginal sein sollen und damit kein wesentlicher Zeitverlust zu erwarten ist. Als wir die Gletscherzunge erreichen, wundere ich mich etwas über das Erscheinungsbild, denn von Eis ist weit und breit nichts zu sehen. Der Gletscher bringt so viel Geröll mit sich, dass das Eis fast völlig bedeckt wird. Aber die Moräne ist ganz schön hoch und das Geröll locker und äußerst unangenehm zu begehen. Und vor allem ist die eingeschätzte Zeit völlig falsch. Statt einer gedachten halben Stunde brauchen wir beinahe 3 Stunden und die erste Krise ist da. Kein Wasser, kein Essen und die ersten Kraftreserven sind bereits angeknabbert. Wir erreichen nach 16.30 Uhr das Camp Korophon, ziemlich fertig und ausgelaugt. Die Zelte sind noch nicht aufgebaut, im Küchenzelt funktioniert noch nichts, kein Tee ist gekocht, da die Kocher defekt sind. Die Träger liegen grinsend faul in der Sonne, und niemand kümmert sich um die Organisation. Dieser Tropfen bringt das Fass zum Überlaufen. Die Gruppe ist stinksauer, zudem die Zelte noch in einem schlechten Zustand sind. Die Reißverschlüsse lassen sich wegen des vielen Staubes kaum schließen, was später auf den Gletschern lebensgefährlich sein kann.





Am Abend gibt es eine Krisensitzung im Essenszelt mit deutlichen Worten. Zum Glück treffen wir die Expedition von Hans Kammerlander, der von seiner gescheiter. Schlechtes Wetter und ein tödlich verunglückter Bergsteiger haben ihn 200 Meter unterhalb des Gipfels zur Aufgabe gezwungen. Man kann sich die Stimmung unter den bekannten Bergsteigern gut vorstellen. Da Ralph mit Hans Kammerlander bekannt ist, gelingt es ihm, einige Profiexpeditionszelte auszuleihen, von denen Simone und ich auch eines bekommen.

Am nächsten Morgen sieht die Welt wieder bereits ganz anders aus. Herrliches Wetter kündigt sich an und die Freude auf die heutige 6stündige Wanderung zum Camp Bardumal steigt. Die Stimmung nach dem Frühstück ist gut, trotz der Tatsache, dass die meisten von uns 12 Teilnehmern in kurzen, regelmäßigen Abständen hinter Steinen verschwinden müssen. Wir wandern in der tiefstehenden Morgensonne am Ufer des Bralduflusses entlang und genießen die einmalig schöne Flusslandschaft.





Viele Männer der Trägerkolonne haben uns bereits überholt, obwohl wir bestimmt eine halbe Stunde früher losgegangen sind. An einer Engstelle beobachten wir sie, wie sie geschickt mit schwerem Gepäck das Gleichgewicht halten.





Die Querungen der kirchturmdachsteilen Schotterhänge wollen nicht enden. Während der kurzen Steinschlagpausen turnen wir im Laufschritt über knapp fußbreite, abschüssige Steiglein, dabei nie die Wand über uns aus den Augen lassend. Jederzeit kann es irgendwo dortoben lebendig werden. Machmal turnen wir hundert, dann nur einen Meter am Hang über dem wild kochenden Braldu. Unten übertönt sein Tosen das Aufschlagen und Zerspritzen der Steine, und da wir uns deshalb nicht mehr auf unser Gehör verlassen können, müssen wir doppelt vorsichtig sein. Immer nur für kurze Augenblicke erholen wir uns an halbwegs geschützten Stellen, gönnen den Nerven etwas Ruhe.



Und wieder führt das Steiglein die steilen Bergflanken hinauf, kriecht an senkrecht abfallenden Felswänden entlang. Die Füße finden Halt auf daumenbreiten Simsen, die Hände krallen sich suchend in Griffmulden und an Vorsprünge. Jedes Ausrutschen, jeder Fehltritt würde unweigerlich zum Absturz führen. Mir klopft das Herz bis zum Hals, als ich mit den Augen die Träger verfolge. Wie Schnecken mit sperrigen Häusern auf dem Rücken schieben sie sich teilweise seitwärts über die Felsen. Sie sind äußerst konzentriert, doch ich sehe auch Angst in vielen Gesichtern. Erleichtert atmen wir durch, als alle wieder sicheren Boden unter den Füßen haben.



Sonnencreme wird neu aufgelegt, die Zehen mit Leukoplast versorgt und die Lippen mit Fett dick eingeschmiert. Eine kürzlich errichtete, abenteuerliche Hängebrücke gilt es zu überwinden. Auch hier hat der Fortschritt Erleichterung für die Trekker gebracht. Noch vor einigen Monaten musste man an dieser Stelle mit einer uralten Seilbahn in einem kleinen morschen Holzkörbchen den reißenden Fluss überqueren.



Die Hitze ist fast nicht zu ertragen. Ich weiß nicht wieviele Liter Tee ich seit gestern Abend getrunken habe und dennoch nicht pinkeln konnte. Einfach unglaublich dieser Flüssigkeitsbedarf in diesem Klima.

Als wir am späten Nachmittag Camp Bardumal erreichen, sind die Zelte bereits aufgebaut, und wir können unser fast neues Expeditionszelt der Edelmarke North Face beziehen. Das Zelt hat noch vor wenigen Tagen als Hochlager am K2 gedient. Kammerlander oder vielleicht der gestorbene rumänische Bergsteiger haben darin geschlafen. Ein bewegendes Gefühl. Unsere Mannschaft ist wie ausgewechselt. Freundlich und hilfsbereit tritt man nun auf. Wir genießen das Lagerleben und versuchen, uns mit gutem Kartenmaterial zu orientieren und die umliegenden Berggipfel zu qualifizieren. Zumeist sind es namenlose 5 oder 6tausender, da wir noch viel zu weit von den berühmten Wächtern des Baltoro entfernt sind.



Der Wecker klingelt gegen 5.30 Uhr und beendet die ungewöhnlich milde Nacht mit einer Temperatur von etwa +15 Grad C. Der Monsun scheint weit nach Norden vorgedrungen. Kein gutes Zeichen für die weitere Wetterentwicklung. Aus dem Zelt gestiegen erkenne ich einen bewölkten Himmel und spüre meinen malträtierten Rücken. Wir liegen direkt am Ufer des Bralduflusses, der mit seinem eiskalten Gletscherwasser nach unseren schmutzigen Gesichtern giert.

Nach dem Frühstück, bestehend aus Tschapatis, den einfachen Brotfladen, dem Grundnahrungsmittel im nördlichen Pakistan, Marmelade, Honig und heißem Tee oder Nescafe, brechen wir gegen 7.30 Uhr auf in Richtung Paiju. Der Oasenort Paiju, der auf etwa 3400 Metern liegt, stellt den Beginn des landschaftlich dramatischen Teils unseres Trekkings dar. Ab hier kann man bekannte Formationen sehen, wie den Paiju Peak, den Biaho, den Biale oder die berühmten Trango Towers.

Nach wenigen halben Stunden erreichen wir einen Trupp Träger, der eine Rast eingelegt hat, um sich in Ruhe die morgendlichen Tschapatis auf kleinen flachen Blechen mit der Glut des seltenen Brennholzes, zu backen. Die Ausdauer und gleichzeitige Bedürfnislosigkeit dieser Männer bewundere ich mit jedem Tag mehr. Betsimmt können sie sich mit trainierten Langstreckenläufern messen, und vor allem: Sie können mehr tragen, als sie im Laufe der Zeit verbrauchen. Auf dieser simplen Grundformel der Logistik bauen alle Expeditionen auf. Es hat schon kühne und alpinistisch glanzvolle Taten im Baltorogebiet gegeben, aber noch niemand war in der Lage, sein Zeug bis ans Ende der Welt und wieder zurück zu schleppen. Dabei sind die Gestalten unter den Lasten oft schmächtig, mit dünnen Armen und Beinen, ohne ein Gramm Fett. Sie bestehen nur aus Muskeln, Sehnen, Haut und Knochen, wodurch sie den Strapazen gewachsen sind.





Die Wolkendecke wird langsam dünner und die ersten Sonnenstrahlen lassen die Temperatur deutlich steigen. Nach geraumer Zeit über unwegsames Gelände, wo wir teilweise von Stein zu Stein springen müssen, erreichen wir einen quer zu unserem Weg fließenden reißenden Bach. Beim Durchwaten des Baches sterben unsere Füße im Eiswasser, während die Luft in der safrangelben Hitze wabert. Steine scheinen in der erbarmungslosen Sonne zu glühen, und gleichzeitig kriechen Gletscher zu Tal und wachsen Schneeberge in den Himmel.



Am frühen Nachmittag erreichen wir Paiju, einen wunderschönen Platz, an dem wir einen Ruhetag zur weiteren Aklimatisation einlegen werden. Paiju ist auf den ersten Blick ein idyllisches Camp mit wilden Rosen, geduckten Wacholdersträuchern und vielen Weiden, die ein winziges Wäldchen bilden und so dicht stehen, dass sich ihre Kronen durchdringen. Es liegt in einem steilen Hang mit Blick auf die Endmoräne des Baltorogletschers. Paiju ist wie oft in der kurzen warmen Trekkingsaison überfüllt mit Expeditionen, die hier einen Ruhetag einlegen oder zu den nahen Trango Türmen aufbrechen wollen. Der Platz für das Aufstellen der Zelte ist winzig und somit die Basis geschaffen, einander kräftig ins Gehege zu kommen. Wegen der enormen Anstrengungen und kleinen Schwierigkeiten der letzten Tage liegen bei eineigen Reiseteilnehmern die Nerven ziemlich blank, so dass es zu handfesten Streitigkeiten kommt.



Leider ist das Camp der reinste Müllplatz. Hunderte von Trägern hocken über dem Lager in dem steilen Hang. Es ist staubig und alles ist zugeschissen. Unsere beiden mitgeführten Ziegen haben mittlerweile ihr Leben lassen müssen und dienen teilweise luftgetrocknet als Nahrung für Trekker und Mannschaft.

Der Aklimatisationsruhetag wird von der Gruppe unterschiedlich genutzt. Ausschlafen, in der Sonne dösen, einen kleinen Spaziergang machen oder Tagebuchschreiben, ganz wie es beliebt. Nur am Nachmittag haben wir ein gemeinsames Vorhaben: Überprüfen unserer Klettersachen und das Üben von Knoten und Ab- bzw. Anseiltechniken unter fachmännischer Anleitung. Die Voraussetzung für die Tour sind Grundkenntnisse im Klettern und Gehen mit Pickel und Steigeisen. Der Gondogoro La ist nicht ganz einfach und das sichere Beherrschen des Prusikknotens überlebensnotwendig. Die uns beobachtenden Baltis haben sicherlich schon viele Bergsteiger und Trekker gesehen, aber entweder haben wir sie durch unser Gelächter oder mäßiges Geschick auf uns aufmerksam gemacht. jedenfalls kommen Scharen dunkler Gesichter den Hang hinuntergelaufen, um sich über unser Tun köstlich zu amüsieren.





Am späten Nachmittag überfliegt ein Militärhubschrauber unser Camp und erinnert daran, dass wir uns hier nahe einer Kriegsfront zwischen Pakistan und Indien bewegen. Die Biaho- und Bialegruppe, sowie die berühmt-berüchtigten Trango Towers reflektieren die dumpfen Rotorgeräusche zu einem unheimlichen Gebrüll.





Wie gut, dass wir uns in Paiju einen Ruhetag gegönnt haben, denn ab heute wird mindestens ein Gang angezogen. Unsere Route führt uns auf die Endmoräne des Baltorogletschers bis zum Camp Rubutze, das in einem etwa 8stündigen Marsch erreicht werden soll. Uns fällt auf, dass die Träger ihre Lasten heute sorgfältiger schnüren als sonst, als wollten sie den Aufbruch noch hinausschieben. Sie haben Angst vor dem, was bald kommt. Sie wissen, dass nur Eis und Steine sie erwarten.



Anfangs ist der Weg noch leicht, und wir brauchen nur eine Stunde bis zur Stirnmoräne des Baltoro. Düster und bedrohlich ragt er jetzt vor uns auf, viel höher, als ich gedacht habe. Aus einer kuppelförmigen, schwarzen Eishöhle bricht ein kräftiger Strom ans Tageslicht, verläuft aber schon bald zu einem Geflecht mäandernder Rinnsale in dem kilometerbreiten Flussbett. Für die Träger ist der Aufstieg über die schuttbedeckten, steilen Eisflanken äußerst mühsam. Zwei Schritte hoch, einen zurück - immer wieder rollen Steine unter ihren Füßen weg und fällt einer hin. Als das Plateau erreicht ist, legen sie ihre Lasten ab und stellen sich im Halbkreis auf. Mit erhobenen Händen rufen sie Allah an, er möge ihnen auf dem Gletscher beistehen. Für einen Augenblick erscheint es mir, als würde der Gesang das ganze weite Tal ausfüllen und sich an den Felsen brechen. Der Ernst in ihren Gesichtern zeigt, wie gefährlich der Weg sein muss, der vor uns liegt. Fast zwei Wochen werden wir auf Gletschern leben und dabei gut 140 km Spaltengewirr hinter uns bringen.

Wir laufen langgezogene Moränenrücken hinauf und Mulden hinunter, immer wieder. Ich denke an ein Meer, das mir andauernd neue Brandungswellen entgegenwirft und mich ermüdet. Dabei vergesse ich, dass wir uns auf einem hunderte von Metern dicken Eisstrom bewegen, denn man sieht nur Schutt, Steine, Wasserlöcher, Gräben - eine öde, lebensfeindliche Wüste. Die Hitze ist unerträglich und unsere atemlosen Blicke auf die Bergwelt sind mit Worten nicht zu beschreiben.







Unsere Blicke richten sich in den wenigen kurzen Pausen auf Berggestalten, die sprachlos machen. Da stehen sie, die "Wächter des Baltoro", mit Namen, die Klang haben in der Szene:
Biaho Tower, die Trango Towers (5700m), kleine und große Kathedrale (5800m), Lobsang, Paiju Peak und ganz in der Ferne erstmals ein Achttausender, der Broad Peak.
Bis zu zweieinhalbtausend Meter ragen sie über dem Gletscher auf. Geschlossene, glattgeschliffene Granitwände, oft senkrecht, höher als die höchsten Steilwände in den Alpen.







Gegen Spätnachmittag erreichen wir unser Lager auf etwa 3800 Metern gelegen. Es liegt am Fuße einer Steilwand, die bei Regen steinschlaggefärdet ist und etwa 100 Meter neben einer Endmoräne eines Seitengletschers des Baltoro. Ein kleiner Bach fließt durch das Lager und einige winzige Büsche lockern die Wüste auf. Wir sind bis auf eine Kleingruppe von 3 Trekkern ganz alleine und haben viel Platz für unsere Zelte. Ich kann es kaum erwarten in den eiskalten Bach zu springen. Nur in der Unterhose hechte ich unter einen kleinen Wasserfall und fühle mich wie neugeboren. Die glotzenden Baltis grinsen, irgendwelches Gras rauchend, bis an die Ohren.

Ohh, welch ein Tag!
Ich sitze am Camp Gore 1, unserem heutigen Tagesziel mitten auf dem Baltorogletscher mit Blick auf den Masherbrum, Broad Peak, die Gasherbrumgruppe und talabwärts die Trango Towers und den Muztagh Tower. Nie haben wir so etwas bisher erlebt. Wohin man sich dreht, riesige Eisberge und Gletscher. Mächtige Eismassen, die man die Segel des Baltoro nennt, ragen aus dem Gletscherschutt. Unter uns rauscht, donnert und gluckst das Schmelzwasser.
Und das soll erst der Anfang gewesen sein!?



Heute Morgen sind wir gegen 7.00 Uhr von unserem Lager Rubutze aufgebrochen in Richtung Urdokas, dem letzten Lager am Rande des Gletschers, wo der letzte grüne Grashalm wächst. Dahinter sind nur noch Lager direkt auf dem Gletscher möglich. Das Laufen auf dem Schotter ist wieder sehr anstrengend, zumal einige luftige Kämme zu übersteigen sind. Hin und wieder kommt das blanke Eis zu Tage. Dann wird es ganz schön glatt. An den gefährlichen Stellen von Spalten, steilen Flanken oder reißenden Bächen, helfen wir uns gegenseitig und erhalten die Unterstützung unserer Führer.





Langsam erreichen wir die Höhen, wo in den Alpen die Berge aufhören. Im Sonnenlicht ist das Geröll nicht mehr stumpf, sondern weist eine ganze Palette erdiger Farbtöne auf. Vor allem die rötlich-braunen, länglichen, gebrochenen Steine haben es mir angetan. Einmal daran erinnert, kann ich von dem Vergleich nicht mehr lassen:
Sie erinnern mich an Filets!
So weit das Auge reicht: Roast Beefs, Bündner Fleisch, Unterfilets, perfekt abgehangen.
In der Mittagspause auf dem Gletscher werden wir wieder gemahlene Steine essen.



Nach der viel zu kurzen Pause auf Eis geht es in der brütenden Hitze der Mittagssonne weiter mit dem Steinhüpfen. Und hinter einer Talbiegung sehen wir erstmals den im Zentrum unseres Trekkings stehenden Masherbrum. Die überwächteten Grate des 7820 Meter hohen Berges streben in die Höhe und ziehen sich zu einem winzigen, spitzen Schneegipfel zusammen, unwirklich hoch und weiß, als wolle er gleich in den Himmel entschweben.



Aus meinem Tagebuch:
"Es ist 17.30 Uhr währenddem ich diese Zeilen schreibe, die sich mit meinen Freudentränen mischen. Vor einer Stunde sind wir mit letzter Kraft am Concordiaplatz auf 4700 Metern Höhe angekommen und können es nicht fassen, was unsere Augen sehen. Wir blicken auf den zweithöchsten Berg der Welt, der sich uns fast wolkenlos zeigt. Chogorie, der große Berg, nennt man ihn in Baltistan, K2 Karakorumgipfel Nr.2 wird er im Westen genannt. Aber der 8600 Meter hohe Chogorie steht dort nicht alleine. Wir sind umringt von Broad Peak, der Gasherbrumgruppe, der Chogolisa, an der Hermann Buhl tödlich verunglückte und vielen anderen uns unbekannten Eisriesen. Wie in einem gewaltigen Amphitheater stehen die Berge dort. 14 Gletscher aus allen Himmelsrichtungen strömen am Concordiaplatz zusammen."

Wir verlassen unser Camp Gore 1 am frühen morgen bei fantastischem Wetter. Die Sonne scheint aus einem beinahe wolkenlosen Himmel und erleuchtet die imposante Gasherbrumgruppe mit den beiden Gipfeln über 8000 Meter. Die reine Gehzeit zum Concordiaplatz soll etwa 6 Stunden betragen, keine besonderen technischen Schwierigkeiten beinhalten, aber sehr kräftezehrend wegen der vielen Steine sein. Das ist weiter nicht schlimm, da die optische Komponente, das Betrachten der Landschaft, oder das Berühren des Blaueises der Segel des Baltoro, dies bei weitem kompensiert. Der Masherbrum liegt in strahlendem Weiß und Blau vor uns, nur ein paar Wolkenstreifen umspielen den Gipfel.













Vor der mächtigen Wand des 7800 Meter hohen Muztagh Tower machen wir eine kurze Verschnaufpause. Die brütende Sonne taut das Gletschereis auf und mächtige Wasserströme formen sich ihren Weg durch Schotter und Spalten. Es tost und knarrt unter und neben unseren Füßen. Nach einigen anstrengenden Stunden kommen wir am Camp Gore 2 vorbei, hinter dem wir die Mittagspause einlegen. Es gibt heiße Suppe und salzige Dosenkost, zum Ausgleich zu dem großen Mineralienverlust.



Der Gletscher steigt jetzt stärker an, so dass uns in der Mittagshitze der Schweiß in Strömen an unseren stinkenden Körpern herunterrinnt. Das Gehen kostet unglaublich viel Kraft, zumal wir uns bereits über 4500 Metern befinden. Die Strecke nach Concordia zieht sich, doch der Brod Peak und die Gasherbrumgruppe kommen immer näher.




Baltoro, der gewaltige Eisstrom im fernen Baltistan und sein unvergleichlicher Gipfelkranz, die herrlichste Hochgebirgslandschaft der Erde!
Der Mt. Everest mag noch etwas höher sein als der K2, der Herrscher des Baltoro. Die ungeheure Masse des Kangchenzönga mag drohender, unheimlicher, wahrhaft dämonisch wirken.
Aber der gar nicht auszuschöpfende Reichtum an Schönheitswerten, die Zahl, Mannigfaltigkeit und adelige Gestalt der Gipfel, die überwältigende Fülle bergsteigerischer Möglichkeiten... alles das macht das Baltorogebiet wahrhaft einzigartig.
Es ist der genialste Ausdruck, den die gebirgsbildenden Kräfte auf unserem Planeten geschaffen haben. (Günther Oskar Dyhrenfurth)



Aus den gletscherweißen schmalen Seitentälern bläst es eisig herunter. Wir sind eingetreten in das größte Gletschergebiet der Erde außerhalb der beiden Pole. Unser Lager errichten wir inmitten einer riesigen Eisfläche, wo die mächtigen Ströme des Abruzzen-, Vigne- und Godwin Austen Gletschers verschmelzen und den Baltoro speisen. Mit Recht nennt man den Concordiaplatz einen der spektakulärsten Orte der Welt. Wie in einem Hochgebirgsamphitheater stehen 10 der 30 höchsten Gipfel der Erde im Umkreis von nur 29 km beisammen.
Dies ist das Dach der Welt.
Ich stelle mir vor, dass genau unter meinen Füßen, viele km tief, Erdteile aufeinanderprallen; dass sich gerade hier die Platte des indischen Subkontinent unter die asiatische schiebt und dadurch dieses ungeheure Gebirge wachsen lässt.



Die Wirklichkeit übertrifft jede Erwartung!

Berg der Berge haben ihn Berufene genannt, die die Berge kannten und wussten wovon sie sprachen. Diese ebenmäßige Pyramide ist der Berg schlechthin.

So malen Kinder einen Berg.






Klar und kalt wie ein funkelnder Kristall, steht er vor einem blassblauen Himmel. Chogorie, der große Berg, nennen ihn die Einheimischen, und in der Tat überragt er die Nachbargipfel bei weitem. Er füllt den ganzen Talschluß aus. Nichts gibt es, was die Aufmerksamkeit vom zweithöchsten Berg der Erde ablenken könnte.
Einmal nur am Fuße dieses Berges stehen, ihm nahe sein, hinaufschauen, ihn berühren. Ein bescheidenes Ziel sicherlich, gemessen an einer Besteigung des Berges. Aber für uns zählt es zu den erregendsten Augenblicken in unserem Leben, einmal diese Urlandschaft gesehen zu haben.
Ganz entfernt erinnert die Form des K2 an das Matterhorn. Doch schon der Größenvergleich zwischen Alpen und Karakorum rückt die Maßstäbe zurecht. Nicht weniger als 42 Matterhörner hätten in dieser Felspyramide Platz.
Jetzt, aus der Nähe betrachtet, ist die Steilheit von Flanken und Gletschern erschreckend. Die Augen wandern, spielen Aufstiegsvarianten durch. Logisch vom Verlauf her, gleichzeitig aber unerhört schwierig und gefährlich: Messners Direttissima, die Magic Line, wo mächtige Seracs wie Fallbeile lauern. Vergleichsweise entschärft zieht sich der lange Abruzzengrat zum Gipfel, die Normalroute der Erstbesteigung, der Normalweg. Aber was heißt schon Normalweg am schwierigsten Achttausender den es gibt?





Als Hermann Buhl 1957 zum 8047 Meter hohen Broad Peak aufbricht, ist er 34 Jahre alt. Sein bereits legendärer Alleingang am Nanga Parbat liegt 4 Jahre zurück. Marcus Schmuck, Fritz Wintersteller und Kurt Diemberger begleiten Buhl bei seiner Expedition. Ihre Ausrüstung ist in 38 Alukisten und 19 Seesäcken verstaut. Sie wollen den Berg ohne Hochträger und Sauerstoffgeräte im Westalpenstil bezwingen. Das höchste Lager wird in knapp 7000 Meter errichtet. Es liegt zwar 11000 Meter unterhalb des Gipfels, befindet sich aber noch unter der gefürchteten Todeszone, wo der menschliche Körper selbst im Schlaf nur noch abbaut. Endlich, am 9. Juni 1957 stehen die 4 auf dem Gipfel des Broad Peak.



Die herrliche trapezförmige Flanke des fast 7900 Meter hohen Gasherbrum 4 verdeckt die beiden Achttausendergipfel des Gasherbrum 2 und des Gasherbrum 1, dem Hidden Peak. Weiter östlich thront der Baltoro Kangri, der Kondus und die Chogolisagruppe, an der Hermann Buhl wenige Jahre nach seinem Triumph am Broad Peak sein tragisches Ende beim Sturz von einem überwächteten Grad fand.

Am Abend unserer Ankunft am Concordiaplatz sind wir müde und früh in unsere Zelte gekrochen. Das Abendessen hatte sich etwas verzögert, da der Träger des Küchenzeltes sich den Fuß gebrochen hatte. Dick eingekuschelt in unsere Schlafsäcke erwarten wir eine erste eiskalte Nacht. Daraus wurde allerdings nichts, da gegen Mitternacht ein Sturm mit Regen einsetzte. Der Monsun hatte es also geschafft, weit nach Norden vorzustoßen und feuchtwarme Luft zu bringen. Unser Zelt wird ganz schön durchgeschüttelt, aber wir haben keine Sorge, dass da etwas schiefgehen könnte. Die Morgensonne weckt uns gegen 6.00 Uhr. Der Regen und der Sturm haben aufgehört und es ist mit 5 Grad C angenehm warm.



Wir entscheiden einen wirklichen Ruhetag einzulegen und nicht zum K2- oder Broad Peak Base Camp zu gehen, wie sich einige aus der Gruppe entschließen. Simone und ich wollen unsere Kräfte schonen, da übermorgen die Stunde der Wahrheit schlägt und der 14 bis 18 stündige Tag der Passüberschreitung naht. Wir machen uns einen faulen Tag und genießen das Dasein am Concordiaplatz.

Das Wetter hat sich leider nicht gebessert. Es hat die ganze Nacht geregnet und die Wolken haben sich bis auf 5000 Meter breitgemacht. Es ist unglaublich mild auf dem Gletscher. Wir wollen bis 9.00 Uhr warten, ob das Wetter aufklart und wir damit keinen weiteren Ruhetag opfern müssen, denn ein Weitergehen bei Schlechtwetter wäre lebensgefährlich. Vielleicht müssen wir sogar umkehren und den gleichen Weg zurückgehen, den wir gekommen sind. Auch Hans Kammerlander war vor wenigen Tagen mit seinen 500 Trägern wegen schlechtem Wetter nicht über den Pass, sondern die lange Strecke das Braldutal hinab nach Askole gelaufen. So langsam wird mir klar, was wohl noch vor uns liegen muss.

Um 8.00 Uhr fällt bereits die Entscheidung, dass wir heute aufbrechen werden zum Camp Ali auf 5000 Meter Höhe, da sich die Wolken langsam heben und es von Westen freundlicher wird. Im Lager am Concordiaplatz gibt es ein ziemliches Chaos, da wieder eine völlige Desorganisation in der Truppe herrscht.

Simone und ich haben für die restlichen Tage je einen Träger engagiert, der unser Tagesgepäck tragen soll und immer in Reichweite zu uns läuft. Das hat den Vorteil, dass die Chancen zur Passüberschreitung merklich steigen sollten. Zudem schafft es noch etwas zusätzliche Arbeit, da die Träger sonst von Concordia aus wieder nach Hause hätten gehen müssen.



Gegen 9.30 Uhr verläßt der Trupp, der mittlerweile um die Hälfte Träger kleiner geworden ist, das Lager am Concordiaplatz. Es geht wieder über hochhausgroße Moränen aus Schotter und Eis. Gerade am Anfang ist es wieder schwierig, den richtigen Weg zu finden, der vielfach durch neue Spaltenbildung starken Veränderungen unterlegen ist. Der Weg über den mächtigen Vignegletscher zum Camp Ali wird immer mehr zur reinen Tour auf blankem, gut aufgefirnten Eis. Für Simone und mich ist es das erste Mal, dass wir auf einem Gletscher laufen und daher ein etwas ungewohntes, aber schönes Gefühl. Es bereitet uns mehr und mehr Spaß auf dem riesigen Gletscher zu laufen, zumal es auch wesentlich einfacher ist, als in dem Schotter der Moränen. Langsam klart der Himmel gänzlich auf und gestattet uns erste Blicke auf die umliegende Bergwelt. Wir laufen lange an der Flanke der Chogolisagruppe entlang, von der sich minütlich gigantische Eislawinen lösen und mit unglaublichen Getöse talabwärts stürzen.











Bereits gegen 15.00 Uhr erreichen wir nach langsamen, stetigen Gehen das Camp Ali. Die Sonne brennt gnadenlos mit hohem UV Anteil und trocknet uns mächtig aus. Wir bauen nur die Innenzelte auf, damit wir heute um Mitternacht möglichst wenig Aufwand haben, wenn  es losgeht zur Passüberschreitung.

Um Mitternacht werden wir aus einem kurzen, atemlosen Schlaf geweckt. Auf 5000 Metern Höhe zu übernachten ist nicht ganz einfach. Man versucht mit dem Oberkörper möglichst hoch zu liegen, um mehr Luft zu bekommen. Man wacht häufig mit kurzem Atem auf und hat das Gefühl zu ersticken. Das sind dann leichte Merkmale der Höhenkrankheit. Drei Stunden habe ich vielleicht geschlafen, nichtzuletzt auch vor Aufregung vor der bevorstehenden Herausforderung.



Die Passhöhe an sich ist mit etwa 5700 Metern Höhe etwa so hoch wie Gillmans Point am Kilimandscharo, aber von einem etwas anderen Kaliber. Das Wetter ist leider bescheiden. Eine dicke Wolkendecke liegt über den Bergen bis zu einer Höhe von etwa 5300 Metern, d.h. dass wir wohl im Nebel den Pass überqueren werden und erstmals nicht mit Bergblicken rechnen können. Es ist ungewöhnlich warm auf 5000 Metern, kein Frost und etwas Nieselregen.
Dennoch beschließen wir nach einer 30minütigen Diskussion die Passüberschreitung zu wagen und nicht einen weiteren Tag im Camp auf besseres Wetter zu warten. Wenn es noch schlechter werden sollte mit Schnee und vor Allem Wind, hätten wir keine Chance und müssten den langen Trek nach Askole wieder auf dem gleichen Weg zurück. Also stehen wir um 1.00 Uhr nachts abmarschbereit mit etwas schlotternden Knien vor unseren abgebauten Zelten, die uns bisher vor dem Regen bewahrt haben. Ein Schluck Tee und ein Paar Kekse sind alles, um uns für die lange Tour fitzumachen.

Mit Stirnlampen und Trekkingstöcken bewaffnet, schreiten wir in die feuchte Dunkelheit. Es geht wieder über Schotter, im stockdunkeln einfach fürchterlich. Erst nach einer halben Stunde kreuzen wir auf den Vignegletscher und folgen ihm in Richtung Gondogoropass. Ein unheimliches Gefühl beschleicht uns beim Begehen des aufgeweichten Gletschereises. Unsere Guides müssen Höchstleistungen bringen, denn sie müssen die Spalten frühzeitig erkennen und uns an den Gefahrstellen vorbeiführen. Vielleicht ist es gut, dass wir nicht sehen, was es bei Tageslicht zu sehen gäbe. Die Träger überholen uns keuchend mit ihren schweren Lasten und den schlechten Kleidern. Manchmal tun sie mir echt leid, aber ich glaube, es macht ihnen nicht so viel aus, wie wir denken. Heute Nacht ist es besonders schwierig das richtige Tempo zu finden, da man erfahrungsgemäß mit Stirnlampen in der Dunkelheit automatisch zu schnell läuft. Nach 2 Stunden mäßigen Anstiegs über den Vignegletscher erreichen wir die Steilabhänge hinauf zum völlig vergletscherten Gondogoro La. Im Halbdunkel erzeugt durch den schwachen Schein des Mondes, sieht man ab und zu die Perlenkette der Träger in Serpentinen sich hinaufwinden. Kurze Zeit später ziehen wir die Steigeisen an, denn der Eishang hat eine Neigung zwischen 40 und 60 Grad, was für Amateure praktisch senkrecht ist. An den steilsten Passagen der zu überwindenden 500 Höhenmeter sind Fixseile zum festhalten angebracht und Tritte in das Eis geschlagen, um besseren und sicheren Halt zu finden. Mühsam plagen wir uns stöhnend den steilen Hang hinauf. Dicke Nebelschwaden verklären die Sicht.






Gegen halb fünf wird es langsam hell und wir erahnen, in welch traumhafter Eislandschaft wir uns befinden. Ein beängstigender Nebel umhüllt uns und lässt nur hin und wieder einen Blick zu auf große Schneewächten, die am Weg liegen oder am Himmel drohend erscheinen. Riesige Gletscherspalten öffnen gähnend ihre schwarzen Schlünde. Das Aufsteigen mit den Steigeisen macht großen Spaß trotz der enormen Anstrengung. Simone und ich gehen direkt hinter unserem deutschen Bergführer an der Spitze der Gruppe. Wir lassen uns von seiner Euphorie bzgl. der grandiosen Eiswelt anstecken. Hinter uns hört man das Keuchen und Stöhnen der anderen Gruppenmitglieder.




Um 6.00 Uhr erreichen wir die Passhöhe, wo uns die gesamte Mannschaft applaudierend begrüßt. Wir umarmen uns und sind froh, es geschafft zu haben. Hier mussten schon viele wegen schlechtem Wetter oder Gummibeinen aufgeben und den weiten Weg nach Askole zurückgehen. Langsam kommen einer nach dem anderen unserer Gruppe an der Eiskuppe des Gletschers an, teilweise mit allerletzter Kraft. Wir sind sehr glücklich, ruhen kurz aus, trinken einen Schluck Tee und ziehen unser Klettergeschirr an, denn wenig später erwartet uns das Schwierigste von all unseren bisherigen Aktionen.





Der Abstieg auf der anderen Seite des Gondogoropasses ist die Hölle. Eine etwa 600 Meter tiefe Rinne mit Steilstellen über 40 Grad, unvergletschert, aus losem Schotter, nass, rutschig, liegt vor uns, oder besser gesagt unter uns. Ein fest vorhandenes Fixseil fast hinunter bis zum Gondogorogletscher soll uns den Abstieg erleichtern. Hier können wir das Erlernte unseres Kletterkurses erstmalig in der Praxis anwenden. Aber muss es gleich so fürchterlich sein? Wir steigen einige Schritte hinab und blicken in die gähnende Tiefe. Ralph ist bei Simone und 2 Meter dahinter knote ich mich am Fixseil an. Die ersten Abseilmeter lösen bereits die ersten Steinbrocken, die donnernd in die Tiefe stürzen und weiteres Gestein mit sich reißen. Zwei Stunden Plackerei liegen vor Simone und mir. Vorsichtig versuchen wir am Seil abzusteigen. Aber dadurch, dass das Fixseil alle paar Meter Knoten hat oder neue Fixseile beginnen, dauert der Abstieg so lange, da wir uns an den neuen Abschnitten ständig umknoten müssen. Meine Arme sind ziemlich überlastet, da ich zu wenig Beinarbeit mache und zu oft versuche, nur mit den Händen am Seil hinunterzuhangeln. Es ist unglaublich anstrengend für uns, viel anstrengender als der Aufstieg. Zweimal stürze ich und bin froh, dass der Klemmknoten und das Fixseil hält und den Absturz verhindert. Ein paar blaue Flecken an Armen und Beinen sind das Ergebnis. Nach 2/3 der Rinne nimmt die Steilheit etwas ab, aber leider ist auch das Fixseil zu Ende. Das letzte Drittel ist demzufolge noch qualvoller. Ralph bleibt bei uns und hilft mit seinen Anweisungen auch diesen Abschnitt ohne Blessuren zu überwinden. Als wir am Fuße des Abhangs auf dem Gondogorogletscher ankommen, sind wir mit unserer Kraft völlig am Ende. Wir blicken nach oben, wo weitere Teilnehmer der Gruppe hinunterkommen. So vergeht noch einige Zeit des Wartens, bis alle mehr oder weniger heil unten angekommen sind. Allerdings hat es einen Guide und einen Trekker schwer erwischt, da ihnen herunterfallende Steinbrocken an Beinen und Füßen zugesetzt haben. Das hätte böse enden können.



Das Wetter ist etwas besser geworden, so dass wir den Gletscher und die umliegenden Höhenzüge gut erkennen können. Wir folgen dem Gletscher auf seiner rechten Seitenmoräne Richtung Alm Chuspany, die auf 4700 Metern Höhe liegt.







Die Wanderung nach Chuspany dauert noch einige Stunden und eröffnet uns durch die mittlerweile müden Augenlider Blicke auf den überwundenen Pass. Am frühen Nachmittag erreichen wir unser Lager nach gut 14stündigem Marsch. Das Camp Chuspany liegt traumhaft an einer Alm, die mit den herrlichsten Blumen und Kräutern bewachsen ist. Welch eine Wonne für unsere auf Eiswüste und Gestein geeichten Augen. Der Nachmittag dient zum Relaxen, sortieren der Ausrüstung, waschen im vorbeifließenden Gletscherbach und trinken von Coca Cola, die es zu einem Wucherpreis zu kaufen gibt. Aber egal, eine tolle Abwechslung zum Grünen Tee oder Mineraltrunk.



Morgen werden wir einen Ruhetag einlegen, und wer will kann übermorgen den Gondogoro Peak besteigen, der mit seiner Höhe von gut 5700 Metern einen herrlichen Blick, schönes Wetter vorausgesetzt, auf über 100 Karakorumgipfel bieten soll.

Leider hat es die ganze Nacht über geregnet. Die Hoffnung auf einen klaren Tag zur Besteigung des Gondogoro Peak ist damit nicht sehr hoch. Wir beschließen, es uns heute gemütlich zu machen. Unsere Köche haben die Feuerstellen hergerichtet und machen sich daran, für die ganze Mannschaft Tschapattis zu backen. Sie rollen Teig zu Kugeln und schlagen diese dann von einer Hand in die andere zu dünnen Fladen aus.
Es sind harte Menschen hier in dieser harten Umgebung, aber was wir da heute essen, ist noch härter. Ich habe immer mehr das Gefühl, auf gemahlenen Steinen zu kauen. Wahrscheinlich haben sie das zur Neige gehende Mehl mit Sand gestreckt.

Als aktionistischer Höhepunkt unseres Faulenztages, demonstriert uns Ralph die Funktion des lebensrettenden Luftdrucksackes. Einen höhenkranken Bergsteiger kann man in dieser Kammer durch Aufblasen und Druckerhöhung um ca. 2000 Meter "herunterbringen", was sein Leben retten könnte. Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Betrachten unseres freiwillig Höhenkranken und den in Scharen herbeigelaufenen Zuschauern aus Baltistan.







Am Nachmittag schlendere ich gemütlich über die Almwiese und erfreue mich an den wunderschönen Pflanzen. Moospolster, wie wir sie in Südamerika in der gleichen Höhe gesehen haben, hunderte von Edelweiß, Margeriten und bunten Kräutern säumen die sattgrüne Wiese.





Ich habe nicht sonderlich gut geschlafen, da irgendetwas mit der Atmung nicht stimmte. Vielleicht macht sich die enorme Anstrengung der letzten Tage bemerkbar. Zudem hat es die ganze Nacht in Strömen geregnet und ein Gewitter hat uns mit ungeheuer drohenden Donnerschlägen aus den wirren Träumen gerissen. Das Wetter erscheint nicht ideal für den Aufstieg zum Gondogoro Peak, auf dessen letztem Stück das Verlegen eines Fixseils notwendig ist. Dennoch wollen einigen der Gruppe das Unterfangen wagen. Auch ich beschließe zumindest so weit mitzugehen, bis ein Blick auf die Karakorumspitzen möglich ist.

Eigentlich viel zu spät setzt sich gegen 9.00 Uhr die Gruppe in Bewegung. Es hat mittlerweile aufgehört zu regnen und die Wolken reißen teilweise auf. Dicke Schottersteine machen das Aufsteigen in Richtung der zu überwindenden Gletscherzunge wieder unerhört mühsam. Nach etwa 2 Stunden kommt der Übergang von Steinen auf Gletschereis, der das Anlegen der Steigeisen bedingt. Da es seit Tagen viel zu warm, und der Gletscher durch den Regen sehr aufgeweicht ist, macht das Gehen auf dem kalten Element nur bedingt Spaß. Die folgenden Stunden quäle ich mich bis auf 5300 Meter Höhe bis kurz vor die zu versichernde Passage und drehe dann entkräftet um. Die drei härtesten Kameraden, die es bis zum Gipfel geschafft haben, hatten kaum bessere Sicht.

So langsam denken wir an die beiden letzten Trekkingtage nach Hushe, und die Sehnsucht nach einer warmen Dusche und einem richtigen Bett steigt.

Die Wolken sind immer noch dicht und es nieselt leicht. Der Monsun kommt immer noch weit nach Norden und beeinflusst die Sicht negativ. Dafür schenkt er uns jede Menge Wärme; selbst über 5000 m kein Frost. Das gibt es nur wenige Wochen im Jahr, in einem der ansonsten kältesten Regionen dieser Welt. Im Winter liegen die Temperaturen hier leicht bei -40 Grad C und darunter. Wir laufen stundenlang über den Gondogorogletscher nach Süden, leider ohne die grandiose Südwand des Masherbrum sehen zu können.

Aber langsam verlassen wir die karge Hochregion und stoßen auf erste Vegetation und Zeichen der Zivilisation. Die Landschaft wird bunter, grüner, ja fast alpin.

Am Vorabend des Erreichen unseres Trekkingziels in Hushe, gibt es auf der Alm Saijo ein freudiges Abschiedsfest. Die gesamte Mannschaft ist anwesend und tanzt, musiziert und singt, als Zeichen der Freude, ohne Blessuren aus den Bergen gekommen zu sein. Die Menschen sind fröhlich und laden uns zum Mitmachen ein. Und sie sind fröhlich ohne Alkohol, wogegen wir bereits seit Tagen von einem eisgekühlten Bier träumen. Immerhin gibt es Ziegenbraten mit ganz wenig gemahlenen Steine.





In Hushe, einem ähnlichen Ort wie am Trekkingbeginn in Askole, steigen wir wieder in die Jeeps, die uns nach Skardu und weiter nach Rawalpindi zurückbringen werden.

Hat sich die Quälerei gelohnt, frage ich mich.

Shangri-La, das Paradies, haben wir hier wahrlich nicht gefunden.

Lieblich ist hier nichts, und der Tod lauert überall:

Auf Bergsteiger, Träger und Soldaten.

Dennoch, dieser Trek zum Dach der Welt war für uns alle eines DER größten Erlebnisse überhaupt.
Hier war das Ziel NICHTS und der Weg ALLES.

Die Südflanke des Masherbrum grüßt uns noch lange und wird meinen Kindheitstraum dauerhaft bewahren.








 
     
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